Astrometric calibration
Könnt ihr auch vorstellen, daß wir ein Foto vom Sternenhimmel geschossen haben und am nächsten Tag nicht mehr wissen, was wir da eigentlich aufgenommen haben? Wenn ich mir die manchmal unterirdisch erscheinende Dokumentation meiner Astrobilder anschaue, so ist für mich solch ein Szenario durchaus im Bereich der Möglichkeiten 🙂
Da wäre es doch schön, wenn wir eine Anwendung hätten, die uns erzählt, was wir da eigentlich aufgenommen haben. Glücklicherweise gibt es so etwas : astrometry.net
Das, was astrometric.net tut, also das Auflösen unseres „Suchbildes“, nennt sich „astrometric calibration“.
Dabei ist es Wurscht, welchen Bildwinkel unsere Aufnahme hat. Es ist auch egal, welche Bilddrehung vorhanden ist oder in welchem Eck des Sternenhimmels die Aufnahme entstanden ist. Astrometry.net identifiziert, was auf unserem Bild drauf ist, sofern es denn zu identifzieren ist.
Da zur Identifizierung des Bildinhaltes keine weiteren Daten nötig sind, als der Bildinhalt selber, wird hier von „blind astrometric calibration“ gesprochen.
Der astrometrische Kalibrierdienst astrometric.net
Nun gibt es im Prinzip drei Möglichkeiten, astrometry.net für die Lösung unseres Problems einzusetzen.
- Hochladen des Fotos auf nova.astrometry.net.
Nach einer gewissen Zeit bekommen wir das Ergebnis geliefert, also unser Bild, versehen mit Sternbildlinien und Sternennamen. - Flickr-Gruppe
Das Bild wird automatisch gelöst, wenn es in Flickr in der Gruppe von astrometric.net ist. - Lokal auf dem eigenen Rechner
Dazu müssen wir aber Vergleichsdateien auf dem Rechner haben, an Hand derer unser Bild identifiziert werden kann, die sogenannten Index-Files.
Plate Solving
Auch das Plate Soving, also das genaue automatische Ausrichten des Teleskops auf das gewünschte Ziel, kann offline oder online erfolgen. Das läßt sich in der Steuersoftware (kstars) einstellen.
Der Online Modus setzt aber eine funktionierende und nicht zu langsame Internetverbindung voraus, was sich des Nachts mitten auf dem Acker als schwierig erweisen könnte.
Der Offline-Modus erfordert nur ein wenig Speicherplatz auf der Festplatte für die Index-Files. Da bleibt dann nur noch die Frage offen: Wo bekommen wir sie denn nun her, diese Indes-Files?
Index-Files
Eine Quelle für die Index-Files ist die folgende Seite:
http://data.astrometry.net/4200/
Wie wir sehen, haben die Index-Files die Dateiendung .fits. Und es gibt eine ganze Menge von ihnen. Ich hab mir mal die Freude gemacht, das Ganze mit den dazugehörigen Bildwinkeln aufzulisten:
index-4200... 48 files 2,0 - 2,8 arcmin index-4201... 48 files 2,8 - 4,0 arcmin index-4202... 48 files 4,0 - 5,6 arcmin index-4203... 48 files 5,6 - 8,0 arcmin index-4204... 48 files 8.0 - 11 arcmin index-4205... 12 files 11 - 16 arcmin index-4206... 12 files 16 - 22 arcmin index-4207... 12 files 22 - 30 arcmin index-4208... 1 file 30 - 42 arcmin index-4209... 1 file 42 - 60 arcmin index-4210... 1 file 60 - 85 arcmin index-4211... 1 file 85 - 120 arcmin index-4212... 1 file 120 - 170 arcmin index-4213... 1 file 170 - 240 arcmin index-4214... 1 file 230 - 340 arcmin index-4215... 1 file 340 - 480 arcmin index-4216... 1 file 480 - 680 arcmin index-4217... 1 file 680 - 1000 arcmin index-4218... 1 file 1000 - 1400 arcmin index-4219... 1 file 1400 - 2000 arcmin
Download der Index-Files
Ein Haufen Holz, oder ? Wenn wir die alle von Hand herunterladen wollen, sind wir länger beschäftigt.
Natürlich, wir könnten ein bash-script schreiben, mit dem die ganze Sache automatisiert wird. Oder wir könnten uns auf der Seite mit den Index-files etwas genauer umschauen.
Am Ende der Seite finden wir eine Datei mit dem Namen „wget.sh“. Diese Datei ist genau so ein bash-script, wie wir es uns gerade gewünscht haben..
Also, los geht es. Zuerst erstellen wir ein Verzeichnis, in dem wir die Index-files zwischenspeichern wollen:
mkdir ~/Vorlagen/index
Nun laden wir die Scriptdatei herunter, und zwar nach „~/Vorlagen/index“. Dazu wechseln wir in dieses Verzeichnis:
cd ~/Vorlagen/index
und starten den download des scripts;
wget data.astrometry.net/4200/wget.sh
Danach starten wir das Download-Script:
sh wget.sh
Nun kann es etwas länger dauern, bis die Index-Files den Weg in unser Verzeichnis gefunden haben. Wie vorhin schon gesagt: Ist eine Menge Holz, 192 Dateien mit knapp 10 GB.
Ein paar Gläser Wein später ist der Download abgeschlossen.
Sicherung der Index-files
Um diese Download-Prozedur in Zukunft zu vermeiden (anderer Rechner, Rechner neu aufsetzen …), ist es angeraten, die Index-Files zu archivieren. Ich verwende dazu einen USB3-Stick.
Entgültige Heimat der Index-Files
Es ist egal, ob wir zum Plate Solving astrometry.net oder Stellarsolver verwenden. Beide arbeiten mit diesen Index-Files.
astrometry.net erwartet diese Files unter „/usr/local/astrometry/data“. Diesen Ort können wir auch für Stellarsolver her nehmen. Sollte dieses Verzeichnis noch nicht exixtieren, legen wir des erst einmal an, wozu wir Administratorrechte benötigen (sudo):
sudo mkdir -p /usr/local/astrometry/data
Und nun kopieren wir die Index-files an ihren endgültigen Platz, wozu wir ebenfalls Administratorrechte benötigen. Also:
sudo cp ~/Vorlagen/index/*.fits /usr/local/astrometry/data
Zusätzliche Index-Files
Wenn wir die heruntergeladenen Index-files genauer anschauen, so werden wir feststellen, daß die Dateien mit den Namen 4200… und 4201… fehlen. Das wären nochmal insgesamt 96 Dateien.
Im Download-Script steht, daß man diese Dateien unter normalen Umständen nie brauchen wird und hat sie ausgeklammert. Ich halte es hier mit dem Script und verzichte auf´s Herunterladen.
Was genau sind diese Index-Files nun eigentlich?
Wer nun der Ansicht ist, die Index-Filex sind Referenzbilder vom Sternenhimmel, der sieht sich getäuscht.
In der Astrofotografie werden gerne Bilder im fits-Format verwendet. Diese sind daran erkennbar, daß sie die Dateiendung .fits besitzen. Auch die Index-Files besitzen diese Dateiendung. Nur handelt es sich hier um Dateien mit astrometrischen Daten. Was genau es nun mit diesen Index-Files auf sich hat und wie die Plate Solving Software damit unser „Suchbilld“ lösen kann, das erfahrt ihr
demnächst, in diesem Theater… 🙂
Hinweis
Geschrieben für und getestet mit Linux openSUSE Tumbleweed.
Die Verwendung von Code, der in dieser Astro-Software-Reihe gezeigt wird, erfolgt ausschließlich auf eigene Gefahr.
Die Artikel bauen aufeinander auf und müssen der Reihe nach abgearbeitet werden, sonst klappt es nicht mit dem kompilieren.
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