Die Erdkugel eiert

Hab ich schonmal erwähnt, daß die Erde eiert? Glaubt ihr nicht? Das ist aber tatsächlich so!

Ich denke, da muß ich erstmal eine kleine Geschichte erzählen, eine Geschichte von Polaris, unserem Polarstern.

Warum steht Polaris immer genau im Norden?

Es halten sich hartnäckig Gerüchte, daß unsere Erde die Form einer Kugel hat. Und damit nicht genug! Diese Kugel soll sich mit der wahnwitzigen Geschwindigkeit von einer Umdrehung pro Tag um sich selbst drehen. Eigenartige Vorstellung!

Ich war hungig und zu müde, um mir etwas zum Essen zu machen. Egal, das bißchen, was ich esse, kann ich auch trinken. Ich öffnete eine Flasche Bier und dachte über Kugeln nach. Ein schwieriges Problem, dessen Lösung wohl noch ein Bier erfordern würde.

Mein Magen knurrte. Er würde sich schon beruhigen, wenn ich ihm noch ein Bier geben würde.

Ich hatte Hunger und dort vorn stand einladend der Grill. „Naja, warum nicht“ sagte ich zu mir und ging in den Keller, um einen vollen Kasten Bier herauzuholen. Nach einer kühlen Flasche Bier zündete ich die Holzkohle an. Sie brannte gut und bald konnte ich das Grillgut auflegen.

Langsam drehte sich die Erdkugel am Drehspieß über der Holzkohle. Saft tropfte zischend in die Glut und es verbreitete sich ein angenehmer Duft.

Warum nur drehte sich die Erdkugel nicht schneller auf dem Grill? Eine Umdrehung pro Tag, da würde das Essen ja niemals fertig werden. Ich leerte eine weitere Flasche Bier.

Meine Gedanken begannen, Achterbahn zu fahren. Plötzlich sah ich mich auf der Erdkugel sitzen und mit ihr drehen. Ganz schön heiß hier, dachte ich, als ich an der Sonnenglut vorbeikam. Einen halben Tag später wurde es dunkel. Die Erdkugel hatte sich vom Sonnenfeuer weggedreht. Die Laternen, die ich rund um den Grill aufgehängt hatte, funkelten wie Sterne. Und ich sah diese Sterne, wie sie über mich hinweg zogen. Ziemlich frisch. Vielleicht hätte ich doch eine Jacke anziehen sollen.

Die Rotationsgeschwindigkeit der Erde machte mich schwindlig. Nicht so schnell! Meine Augen suchten einen ruhenden Punkt, um sich entspannen zu können, sahen aber nur die Sterne über mich hinwegrotieren. Wenn ich aufstand, lies es sich besser aushalten. Eine Umdrehung pro Tag, wer nur hatte diese wahnsinnige Geschwindigkeit verbrochen?

Was war denn das, dort, wo die Spitze des Drehspießes hin zeigte? Da war doch tatsächlich ein Licht, das sich während diesem ganzen Gedrehe nicht bewegt hatte. Es kam immer aus der gleichen Richtung. Meine Augen sogen sich an dem Ruhepol fest und ich schlief ein.

Als ich aufwachte konnte ich mich noch genau an den Grillabend erinnern. War das Wirklichkeit gewesen oder war das alles nur ein Traum? Die Erdkugel am Drehspieß …

Egal ob Traum oder nicht, die Erdkugel am Drehspieß ist eigentlich eine klasse Erklärung dafür, warum Polaris immer im Norden steht.

Die Erde dreht sich um sich selbst und die Drehachse geht durch Nord- und Südpol der Erde. Ramme ich nun den Drehspieß am Südpol so heftig in die Erde, daß er am Nordpol wieder herauskommt, könnte ich den Grill aufs neue anwerfen. Das Menue wäre, wie schon vorhin, Erkugel am Spieß

Mit den Sternen im Weltall verhält es sich wie mit den Laternen beim Grillabend. sie haben alle ihren fixen Platz. Vielleicht heißen sie deshalb Fixsterne? Die scheinbare Bewegung der Sterne über den Nachthimmel entsteht nur durch die Drehung der Erde.

Die Erde dreht sich nicht nur um sich selbst, sondern auch um die Sonne (eine Umrundung pro Jahr). Die Lage der Drehachse im Weltraum ist aber konstant. Die Spitze des Drehspießes zeigt immer auf die gleiche Stelle im Weltraum. Und an diese Stelle befindet sich Polaris, unser Polarstern.

Da nun die Spitze des Drehspießes, die auf Polaris zeigt, am Nordpol der Erde herausragt, befindet sich Polaris immer im Norden.

Steht Polaris wirklich genau im Norden?

Die Spitze des Drehspießes, den ich durch Süd- und Nordpol der Erdkugel gerammt habe, zeigt in Richtung Polaris, aber nicht genau auf Polaris, sondern knapp daneben.

Die Abweichung ist gering, für einen Kneipenbesucher nicht relevant.

Wenn ein trinkfreudiger, aber nicht trinkfester Kneipenbesucher wankend die Wirtschaft verlässt, kann es durchaus passieren, daß er nicht mehr so genau weiß, wo er zu Hause ist. Ein Blick in den Sternenhimmel verrät ihm aber die Nordrichtung. Denn die Geschichte mit den Zeigersternen im Großen Wagen, die auf den Polarstern zeigen, hat er sich für Notfälle eingeprägt. So braucht er nur noch einen Spaziergänger anzuhalten und ihn zu fragen, wo er denn zu Hause sei. Die Nordrichtung wisse er schon.

Die Abweichung von der tatsächlichen Nordrichtung, beträgt für Polaris und damit auch für unseren Kneipenbesucher maximal knapp zwei Vollmondbreiten, je nach Uhrzeit. Genügend Genauigkeit, um wieder nach Hause zu finden, sofern der Spaziergänger mitspielt…

Dreht sich die Erde nicht auch um die Sonne?

Der kleine Ort in Mittelfranken, in dem ich wohne, ist das gefühlte Zentrum des bekannten Universums. Das bedeutet aber nicht, daß auch die Erde im Mittelpunkt von allem steht.

Die Erde dreht sich um die Sonne und schafft dabei eine Umrundung pro Jahr. Die Erde dreht sich auch um sich selbst, einmal in 24 Stunden rundherum.

Die Drehachse der Erde, also der Drehspieß, den ich durch Süd- und Nordpol der Erdugel gejagd habe, liegt konstant im Weltraum. Die Spitze des Drehspießes zeigt immer in Richtung eines bestimmten Sterns, nämlich auf Polaris, egal wo auf ihrer Bahn um die Sonne sich die Erde gerade befindet.

Und was ist nun mit dem Eiern der Erdkugel?

Wenn ich vorhin behauptet habe, die Drehachse der Erde liegt stabil im Weltraum, so stimmt das, wenigstens für die Zeit eines Menschenalters. Schauen wir uns längere Zeiträume an, schaut die Sache aber schon ganz anders aus!

Die Erdkugel hat nämlich, wie manch einer von uns auch, ein Gewichtsproblem. Sie ist um den Bauch herum dicker, als es eigentlich sein müßte. Das nennt man Äquatorwulst. Meine Güte, wenn ich meinen Äquator so anschaue …

Was eine Äquatorwulst so alles anrichten kann, außer daß einem die Hosen nicht mehr passen! Unsere Sonne und unser Mond meinen zum Beispiel, die Erde würde schief rotieren und versuchen sie aufzurichten. Dabei hat der blaue Planet doch nur ein Bäuchchen.

Aufrichten bedeutet in diesem Fall, die Lage der Drehachse unserer Erde zu verändern.

Dieses Gezerre an der Erde führt zu einer Kreiselbewegung der Erdachse. Wie ein Kinderkreisel, der schief steht. Der Kreises wird nie umfallen, solange er sich schnell genug dreht. und die Kreiselbewegung kehrt immer wieder zum Ausgangspunkt zurück.

Es dauert etwa 25.700 Jahre, bis die Erdachse eine Kreiselbewegung beendet hat und wieder beim Ausgangspunkt angelangt ist.

Die Präzession

Diese Kreiselbewegung der Erdachse wird Präzession genannt.

Der Mittelpunkt der Kreiselbewegung wird Ekliptikpol genannt. Er befindet sich irgendwo im Sternbild Drache.

Imagine …

Stellen wir uns vor, die Erde wäre ein Kinderkreisel. Sie dreht sich nicht, sondern steht irgendwo in der Gegend herum. Der Nordpol ist oben und zeigt auf das Sternbild Drache.

Nun setzen wir den Brummkreisel mit dem Namen Erde in Bewegung. Bedingt durch die Bauchprobleme und die beiden Doktoren Sonne und Mond zeigt die Drehachse der Erde nun nicht mehr senkrecht nach oben zum Sternbild Drache, sondern zeichnet einen großen Kreis in den Sternenhimmel, einen Kreis mit einem Radius von 23,5 Grad.

Es dauert beinahe 26.000 Jahre, bis der erste Kreis vollendet ist.

Die Wanderung des Nordpols

Der Nordpol der Erde wandert nicht. Er befindet sich immer da, wo der Drehspieß, den ich durch die Erde gejagt habe, wieder herauskommt. Nur zeigt die Spitze des Drehspießes nicht immer auf den gleichen Fleck im Weltraum.

Ein Pano des Sternenhimmels mit dem eingezeichneten Kreis, den der Brummkreisel Erde in den Sternenhimmel malt:

Bitte etwas genauer, das mit dem Brummkreisel Erde

In Ordnung! Dann zoome ich mal ins Pano rein:

Ich habe den Mittelpunkt des Kreises M genannt. Passt doch irgenwie, oder? Auf diesen Punkt im Sternbild Drache würde die Erdachse zeigen, wenn sie Erde nicht eiern würde.

Sie eiert aber, die Erdachse und zeichnet einen großen Kreis in den Sternenhimmel. Schauen wir uns einmal an, was das für den Polarstern bedeutet.

Der Polarstern zeigt die Nordrichtung an. Es ist der Stern, auf den die Erdachse zeigt. Das ist im Moment Polaris. Beginnen wir also heute und bezeichnen das als Jahr Null.

  • Jahr 0, heute
    Die Erdachse zeigt in Richtung Polaris. Polaris ist also unser Polarstern und markiert die Nordrichtung.
  • Jahr 2.000
    Die Erdachse ist in Richtung des Bommels der Zipfelmütze von König Kepheus gewandert. Polaris hat seinen Status als Polarstern verloren. Der Zipfelmützenbommel ist aber zu dunkel, um als neuer Polarstern dienen zu können. Düstere Zeiten für Kneipenbesucher auf dem Heimweg.
  • Jahr 5.000
    Die Erdachse zeigt nun in Richtung des hellsten Sternes des Sternbilds Kepheus. Alderamin ist zwar dunkler als Polaris, aber doch gut erkennbar. Ein neuer Polarstern für die Kneipenbesucher, wenngleich der Unsicherheitsfaktor, also die maximal mögliche Abweichung von der Nordrichtung viel größer ist als bei Polaris.
  • Jahr 8.000
    Nun ist das Sternbild Schwan an der Reihe. Deneb, der Hauptstern ist viel heller als Polaris und damit auffällig. Auch die maximale mögliche Abweichung von der tatsächlichen Nordrichtung ist kleiner gegenüber der Abweichng bei Alderamin aus dem Sternbild Kepheus. Aber immer noch, kein Vergleich zur Genauigkeit mit Polaris.
  • Jahr 12.000
    Wega ist dran. Und dieser Stern in der Leier ist wirklich hell. Die maximale Abweichung von der Nordrichtung sollte mit Deneb im Schwan vergleichbar sein.
  • Jahr 18.000
    Wenn der Kreisel Erde weg geeiert ist von der Wega, dann brechen für Kneipenbesucher wirklich dunkle Zeiten an. keine Chance mehr, die Nordrichtung mit einigermaßen Genauigkeit aus den Sternen herauslesen zu können. War das bei Wega sogar noch im Vollrausch möglich (Wega ist hell genug dazu), so geht nun gar nichts mehr.
  • Jahr 26.000
    Geschafft! Die Erdachse zeigt wieder in Richtung Polaris. Was sind wir froh über knapp zwei Vollmondbreiten maximale Abweichung von der tatsächlichen Nordrichtung. Das gar nichts im Vergleich zu dem, was uns bei der 26.000 Jahre langen Reise auf dem Präzessionskreis geboten wurde.

Fazit

Wir haben das Glück, mit Polaris einen hellen Stern zu haben, der als Polarstern dienen kann. Besser wird es nicht!

3 Gedanken zu „Die Erdkugel eiert

  1. Das mit dem Eiern war mir bekannt., irgendwo wusste ich auch, dass die Erde keine perfekte Kugel ist. Welchen Einfluss der Kern hat?!
    Alles im Grunde Halbwissen.
    Hoffen wir, dass Gaia friedlich weiter ihre Runden dreht. Das wird sie wohl, wenn man „nicht so sehr ins Detail geht“ bzw, die Oberfläche seziert..

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    1. Tja, Gaia entstand als eine der ersten Gottheiten direkt aus dem Chaos, wenn man Hesiod glauben will. Es gibt sie also schon eine ganze Weile. Sie gilt als Personifizierung der Erde.
      Gaia hat schon eine Menge angestellt. Und auch ihr Nachwuchs in der Götterwelt hat einiges auf dem Gewissen. Dennoch dreht sich die Erde noch immer um die Sonne und es existieren doch tatsächlich noch Menschen auf der Erde.
      Bei dieser chaotischen griechischen Götterwelt ist Hopfen und Malz verloren. die ändert niemand mehr.
      Die Menschen auf dem blauen Planeten aber können ihr Denken vielleicht doch ändern. Ein klein wenig würde schon genügen, gerade soviel, um die Erde bewohnbar zu halten.
      Also, hoffen wir, das Gaia dann in der Tat weiter friedlich ihre Runden drehen kann.

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