Einst begab es sich im Jahre des Herrn 2020, daß das Fest der Geburt Christi näher rückte.
Es war ein eigenartiges Jahr gewesen, ein Jahr, in dem eine Gefahr aufgetaucht war, die das Leben der Menschen auf der gesamten Welt durcheinandergebracht hatte. Nicht daß es vorher keine Gefahren gegeben hätte. Ganz im Gegenteil, man denke nur an die beiden großen Kriege im letzten Jahrhundert. In diesen Weltkriegen waren Existenzen vernichtet worden und es kamen unzählige Menschen ums Leben. Die unmittelbaren Ursachen für das Leid, das damals die Welt überkommen hatte. waren offensichtlich. Bomben liesen sich, ebenso wie Giftgas schlecht wegdiskutieren.
Im Jahr 2020 war das anders. Denn diesmal war der Feind unsichtbar. Der Feind war ein Virus, klein genug, um nur in guten Mikroskopen beobachtbar zu sein.
Die letzte große Pandemie war noch gar nicht einmal so lange her gewesen, gerade einmal 100 Jahre. Damals gegen Ende des ersten Weltkrieges begann eine Virusinfektion zu wüten, der man den Namen „Spanische Grippe“ gab. Sie trat in drei Schüben auf und forderte nach Schätzungen weltweit zwischen 20 und 100 Millionen Menschenleben. Das waren mehr Menschen, als im gesamten ersten Weltkrieg gestorben waren. Sie verbreitete sich, nicht zuletzt bedingt durch die Wirren des Krieges nahezu ungehindert. Und man kannte keine Gegenmittel gegen diese Pandemie. Man konnte die Symptome der Betroffenen lindern, ihnen das Sterben leichter machen. Man konnte gegen bakterielle Sekundärkrankheiten angehen. Gegen die eigentliche Ursache der Krankheit konnte man aber nichts tun, denn diese Ursache war damals nicht bekannt.
Im Jahr 2020 war das anders. Der Feind war zwar immer noch unsichtbar und es gab keine Medikamente, die wirklich wirksam gegen ihn waren. Man hatte allerdings den Typ des Virus ermitteln können und befand sich somit in der Lage, einen Impfstoff entwickeln zu können. Kurz vor Ende des Jahres begannen die ersten Impfungen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte das Virus mehr als 1,7 Millionen Todesopfer gefordert.
Im Jahr 2020 war noch etwas anders als in anderen Jahren. Man hatte das geschäftliche und gesellschaftliche Leben stark heruntergefahren. Durch die Isolation der Menschen hoffte man, die Verbreitungsgeschwindigkeit des Erregers zu verlangsamen und so die Überlastung von Krankenhäusern zu vermindern. Man hoffte, dadurch die Zahl der Opfer begrenzen zu können. Der Feind selbst aber blieb weiterhin unsichtbar für den Großteil der Menschen. Denn wer hatte schon ein gutes Mikroskop im Wohnzimmer stehen.
Es ist manchmal eigenartig mit den Menschen. Sie glauben bisweilen nur das, was sie ansehen und anlangen können. ich hab erst vor kurzem mit einem Bekannten diskutiert. Seine Worte waren: „Mondlandung? Ich glaube nicht, daß schon mal jemand auf dem Mond gewesen ist. Zeig mir den Beweis, ich möchte ihn mit eigenen Augen sehen. Und Fernsehaufnahmen und Fotos zählen da nicht, denn die sind sowieso gefälscht!“. Was soll man darauf antworten???
Hab ich eigentlich schon erwähnt, daß der Feind, also der Erreger der Pandemie für das bloße Auge unsichtbar ist? Und die Reaktionen einiger Menschen auf diese Unsichtbarkeit sind beinahe wie ein deja vu der Mondlandungen, nur ungemein gefährlicher: „Was ich nicht sehe, glaub ich nicht. Warum soll ich mich an Beschränkungen halten, warum soll ich Maske tragen. Ist doch eh alles Unsinn!“
Was hat man nicht alles probiert, um diese Pandemie in den Griff zu bekommen. Man hat versucht, den Menschen ins Gewissen zu reden. „Haltet Abstand und tragt eine Schutzmaske. Auch wenn diese Maske selber genäht ist, ist sie dennoch besser als gar keine Maske“. Das waren Empfehlungen gewesen. doch wer von den Menschen hält sich schon an Empfehlungen, wenn sie die persönliche Bequemlichkeit beeinträchtigen könnten.
Ich erinnere mich noch gut daran, also empfohlen wurden, in den Geschäften eine Maske zu tragen. Ich war das Tragen eines Mund-Nasenschutzes aus der Arbeit gewohnt. Und ich erinnere mich da an eine Begebenheit, wenige Tage nur bevor die Maske allgemein Pflicht wurde. Ich war in einem Supermarkt einkaufen und trug als einer von sehr Wenigen eine Maske. Was glaubt ihr, mit welchem Unverständnis mich der makenlose Rest der Kundschaft angesehen hat? Fast so, als wäre ich ein Aussätziger. Nicht übertrieben!!!
Einige Tage vor Weihnachten hatte ich die Nachricht erhalten, daß ich über die Feiertage Besuch bekommen würde. Meine alten Freunde aus Alpha Centauri hatten sich angekündigt.
Am 25. Dezember hatte ich gerade die Balkontür oben im ersten Stock aufgemacht, um zu Lüften und war heruntergegangen, um mir einen Glühwein zu holen. Da hörte ich ein lautes Pfeifen von oben und ein Klappern und Klirren, als wäre ein Möbelstück umgefallen. Ich stürmte nach oben. Die Möbel standen alle noch an ihrem Ort und auch die Balkontür war noch offen. Ich blickte mich im Zimmer um und sah aus dem Eck eine kleine Rauchfahne hochsteigen. Als ich genauer hinsah, entdeckte ich den Grund für den Krach und die Rauchfahne. Meine Freunde, die Extraterrestrier, waren gelandet und hatten eine Bruchlandung ersten Grades hingelegt. Reifenschaden!

Die beiden Raumfahrer saßen in ihrem Gefährt und fragten mich über die Außenlautsprecher, was eigentlich auf der Erde los sei? „Wir haben nur maskierte Leute gesehen, sind das alles Bankräuber?“, so fragten sie mich. Ich erklärte ihnen die Situation mit der Corona-Pandemie.
Die Extraterrestrier wurden blaß, als sie mir zu hörten. „Edgar“, sagten sie. „Es tut uns leid, aber diese Krankheit ist auch uns in Alpha Centauri bekannt. Und wir sind sehr anfällig für diesen Virus. Wir denken, wir fliegen am Besten wieder ab, um das Virus nicht mit nach Hause zu bringen“
„Geht klar“, sagte ich. „Aber euer defekter Reifen?“
Sie blickten mich fragend an: „Das ist ein Problem, in der Tat! Weißt du keinen Rat, Edgar?“
Ich überlegte: „Ich denke, ich kenn da eine Lösung. Muß mal kurz telefonieren“
Es ist immer gut, wenn man noch irgendwo einen Gefallen einfordern kann. So dauerte es nicht lange, bis ein Tieflader eine Rakete brachte, ähnlich der Rakete, die die ersten Menschen in Richtung Mond befördert hatte, nur mit einem ungleich stärkeren Antrieb. Wir verluden das defekte Raumschiff in die Rakete und nach einem kurzen Abschied waren meine beiden Freunde verschwunden. Sie waren unterwegs nach Hause, unterwegs nach Alpha Centauri.

Ich schloß die Terassentür, setzte mich in den Sessel und schloß die Augen.
Irgendwann wachte ich auf. Raumschiff und Rakete waren verschwunden und es gab keine Anzeichen dafür, daß hier vor kurzem Extraterrestrier eine Bruchlandung hingelegt hatten. Ich streckte mich und atmete tief ein. Das war wohl ein Traum gewesen, die Begegnung mit dem fremden Raumschiff. Ich stand auf und hing hinunter.
Hoffentlich war die Pandemie auch nur ein Traum gewesen…